»Heimat« - nur ein zuckersüßer Kitschausdruck für Oma und Opa, besetzt mit Bildern von Kuckucksuhren und Krachledernen? Etwas für ewig Gestrige? Von wegen! Überall begegnet einem dieser Begriff.
Heimat erlebt eine Renaissance als Gegenentwicklung zur Globalisierung und Internationalität. Doch was die Menschen unter Heimat verstehen, hat sich im Lauf der Geschichte stark verändert.
Das Wort war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein nüchternes Wort, welches im juristischen und geographischen Sinne gebraucht wurde.
Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm wurde Heimat 1877 erstens definiert als: »das land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat«, zweitens als »der Geburtsort oder ständige Wohnort«; an dritter Stelle wurde hinzugefügt: »Selbst das elterliche Haus und Besitzthum heiszt so, in Baiern.«
Daraus wird ersichtlich, dass der Begriff zur Bezeichnung eines Aufenthalts- oder Bleiberechts benutzt wurde. Geburt an sich verlieh noch kein Aufenthaltsrecht; wer kein Heimatrecht besaß, war nicht nur heimatlos, sondern auch weniger privilegiert. »Heimat« zu haben, bedeutete vor allen Dingen auch, einen Anspruch auf eine zumindest notdürftige Versorgung durch öffentliche Kassen zu besitzen.
Dem, der kein Eigentum, keine Heimat, besaß, wurde noch im 19. Jahrhundert die Hochzeit verwehrt. So heißt es im württembergischen Bürgerrechtsgesetz vom 4. Dezember 1833:
»Ein Gemeindebürger hat sich vor seiner Verehelichung gegen die Gemeindeobrigkeit über einen gewissen Nahrungsstand auszuweisen […]. Die Zulänglichkeit des Vermögens wird mit Berücksichtigung der verschiedenen persönlichen und örtlichen Verhältnisse im einzelnen Falle bemessen.«
Auch heute gibt es in einigen Ländern, wie beispielsweise der Schweiz, ein »Heimatrecht« im traditionellen Wortsinn. Unter gewissen Umständen (beispielsweise langer Aufenthalt im besagten Land, perfekte Beherrschung der Landessprache) erlangt man einen »Heimatschein« und hat damit das Recht, die Staatsbürgerschaft dieses Landes zu erwerben.
Für die Deutschen ist das Wort »Heimat« ein beliebter und gängig gebrauchter Ausdruck. Will an ihn aber übersetzen, gibt es Probleme.
Beim Aufschlagen von Wörterbüchern bemerkt man schnell, dass es eine Eins-zu-eins-Übersetzung in andere Sprachen nicht gibt. Weder das englische »homeland« oder »home country« trifft die deutsche Bedeutung, noch das lateinische Wort »patria«, das sich heute im Italienischen und Spanischen wiederfindet, beinhaltet die Sinnvielfalt des deutschen Heimatbegriffs.
All diese »Ersatzwörter« beziehen sich auf die Heimat als das Vaterland, in dem man geboren wurde. »Homeland« lässt sich beispielsweise als Gegenbegriff zur »Kolonie« verstehen, was aus dem britischen Kolonialisierungszeitalter herrührt.
Der Begriff Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er auf den Ort angewendet, in den ein Mensch hinein geboren wird und in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die zunächst Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und Weltauffassungen prägen.
»Erst gehörst du deinem Gotte, ihm zunächst der Heimaterde« – auf der 1951 errichteten Eingangs-pforte der Freilichtbühne Lohne im Oldenburger Münsterland eingeschnitztes Motto.
Nach Gerhard Handschuh weist der Begriff »Heimat« vier Dimensionen auf:
Menschen können auch abseits des Ortes oder der Region, wo sie geboren wurden (und aufgewachsen sind), »heimisch werden«.
Der lateinische Spruch: »Ubi bene, ibi patria.« (deutsch: »Wo es mir gut geht, da ist mein Vaterland, meine Heimat.«) verdeutlicht dies.
Dass das Land der Geburt nicht von jedem automatisch als »Heimat« empfunden wird, wird auch in Heinrich Heines Gedicht »Die schlesischen Weber« deutlich. Dort heißt es: »Ein Fluch dem falschen Vaterlande, wo nur gedeihen Schmach und Schande.«