Die »Neuzeit« ist dem gängigen geschichtlichen Gliederungsschema zufolge nach Frühzeit, Altertum und Mittelalter die vierte der historischen Großepochen Europas und reicht bis in die Gegenwart.
In der Geschichtswissenschaft wird als Beginn der Neuzeit die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert angesetzt, die mit einer gewissen zeitlichen Bandbreite und vor allem aus europäischer Sicht in mehrerer Hinsicht als Einschnitt wahrgenommen wird.
Als epochale Zäsuren angeführt werden zum Beispiel die osmanische Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453, die Entdeckung Amerikas 1492 und die 1517 von Martin Luther auf den Weg gebrachte Reformation.
Unter geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkten als Wendemarken anzusehen sind Renaissance, Humanismus und die Entwicklung des Buchdrucks in Europa.
Im Sinne einer Vereinheitlichung der unterschiedlichen Betrachtungsebenen ist das markant runde »Jahr 1500« von der Geschichtswissenschaft heute zur Datierung des Neuzeitbeginns gängig geworden.
Unterteilung
In der Periodisierung der Geschichtswissenschaft wird die Neuzeit wiederum zeitlich aufgeteilt in:
Die Epoche wird wiederum unterteilt in:
Der Wandel vom Mittelalter zur Neuzeit
Die Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat und das Leben in seinen Grenzen sind in der Frühen Neuzeit nicht das zentrale Kriterium der Unterscheidung unter den Menschen.
Als rechtlicher und sozialer Deutungsrahmen gilt die Ständeordnung, die bis zur Französischen Revolution existiert hat. Sie teilte Menschen in drei Gruppen mit unter-schiedlichen Funktionen ein. Diese sind der Klerus, der Adel und die Bauern.
Diese Vorstellung, das Grundprinzip der Verfassungs- und Rechtsverhältnisse sei eine gottgewollte Dreiteilung der Menschen, hat sich im Laufe des Mittelalters herausgebildet.
Doch sind in dem Übergangszeitraum vom Mittelalter zur Neuzeit, bis ins 18. Jahrhundert hinein, eine Reihe von Veränderungen eingetreten. Zu Anfang der Frühen Neuzeit ist mit dem Begriff »Stand« eine sich oft überschneidende und im Laufe des Lebens verändernde Zugehörigkeit zu verschiedenen Gruppen gemeint (Altersgruppe, Lebensform, Minderheiten usw.).
Auch das Leben auf dem Land veränderte sich grundlegend. Während im Mittelalter noch der Grundherr die zentrale Rolle auf dem Land erfüllte, wurde gegen Ende des Mittelalters diese Rolle mehr und mehr von der dörflichen Gemeinde übernommen. An die Stelle des komplizierten Systems von Abhängigkeiten zwischen Herr und Knecht traten die Familien und Haushalte, die ihre Angelegenheiten weitgehend selbstständig regelten.
Auch verlagerten sich langsam die Machtstrukturen. Während im Mittelalter die Höfe die Zentren für die administrativen Aktivitäten der zahlreichen Adeligen Herren darstellten, verlagerte sich in der Frühen Neuzeit die Macht auf wenige, meist städtische Orte.
Es entstanden neue bürokratische Institutionen. Ein typisches Phänomen der Neuzeit ist auch der starke Anstieg der lohnarbeitenden Stadtbevölkerung. Begünstigt durch den expandierenden Handel mit der Neuen Welt, entwickelten sich in den Küstenregionen große Wirtschaftsmetropolen, die die Menschen in großen Massen anzogen.
Aus diesem Trend resultierten auch viele neue Gewerbe-zweige, die meist aus der Spezialisierung bereits vorhandener Handwerkerberufe hervorgingen. So entstanden z. B. neben dem traditionellen Bäcker von Brot, auch Bäcker von Kuchen, Zuckerwerk, Oblaten oder Pasteten.
Nicht alle Einwohner der Städte erfüllten aber die Bedingungen für den Bürgerstatus, was für die Neuzeit größtenteils als typisches Phänomen bezeichnet werden kann.
Typisch für die neuzeitliche Stadt ist auch eine abgestufte Ordnung der Einwohner mit verschiedenen rechtlichen Ansprüchen und Pflichten. So verfügte die Mehrheit der Stadtbewohner nur über eine begrenzte Partizipation am Bürgerstatus. Ein weiteres Phänomen im Zuge des Bevölkerungswachstums ist das soziale Gefälle innerhalb der Städte. Je größer eine Stadt war, desto erheblicher waren auch die sozialen Differenzen.
Herrschaft
Beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit vollzogen sich entscheidende Schritte von dem mittelalterlichen Personenverband zu einem neuzeitlichen Territorial- und Nationalstaat. Die separaten Rechtsverhältnisse des Spätmittelalters wurden vereinheitlicht und gebündelt. Die Macht zentralisierte sich in den Residenzen.
Die monarchischen Anfänge, die relativ fest um eine einzelne Person herum geknüpft waren, wurden ausgebaut. Somit kam es zu einer Verdichtung der Herrschaft. Während Herrschaft zuvor eher spirituell gedacht war, entstand in der Neuzeit ein klar definiertes »Territorium«, das zu der konkreten Basis von Herrschaft aufgewertet wurde.
Gefördert wurde dieser Prozess vor allem durch die Spaltung der Kirche im Zuge der Reformation. Die Herrscher verfügten somit über die zentrale Entscheidungsmacht sowohl über weltliche als auch religiöse Fragen und standen über den persönlichsten Bedürfnissen ihrer Untertanen. Im Zuge dieser Veränderungen entschieden Herrscher z. B. über die Konfessionszugehörigkeit ihrer Untertanen.
Ein weiterer damit verbundener, neuzeitlicher Prozess war die Herausbildung pluraler Staatenwelten. Es kristallisierten sich Staaten mit einheitlicher Sprache, Religion und Kultur heraus. Zwar gab es auch im Mittelalter Nationen mit festen Staatsgrenzen, die Staatsgebiete voneinander abgrenzten, die Grenzen waren aber mehr oder weniger fließend und es erfolgte eine geringere Abgrenzung nach außen.
Die Staaten in der Neuzeit grenzten sich jedoch immer mehr voneinander ab, was zu vermehrten kriegerischen Auseinandersetzungen führte. Die Staaten der Neuzeit waren somit ständig mit der Neudefinition ihres Herrschaftsraumes und mit Abgrenzungen gegenüber Nachbarn beschäftigt.
Wichtigstes Ereignis dieser Periode war der ›Wiener Kongress‹ (18. September 1814 bis 9. Juni 1815). Er eine Konferenz aller politischen Mächte Europas, die sich anlässlich der Niederlage des napoleonischen Frankreichs im vorangegangenen Frühjahr zur Neuzeichnung der politischen Landkarte des Kontinentes im Sinne des Legitimitätsprinzips versammelten.