Um 1835 »existierte« das »Saarland« wie wir es heute kennen noch nicht - weder als politische, noch noch als kulturelle oder wirtschaftliche Einheit. Das Gebiet an der Saar wurde von »außerhalb« verwaltet und das Land an der Grenze zu Frankreich galt als »Provinz«.
Zwischen diesen Gebieten gab es vor 1834 noch richtige Zollgrenzen. Erst danach verschwanden die Schlagbäume, die Zöllner und die Kontrollen zwischen Bayern und Preußen; und erst ab 1851 passierten die Menschen ungehindert die Grenze zu Oldenburg - zu Fuß, zu Pferd oder in einer Kutsche.
Technische Innovationen und die Umstellung in der Rohstoff- und Energieversorgung gaben der Industrie kräftige Wachstumsimpulse und boten Zuwanderern aus den Nachbargebieten neue Arbeitsplätze.
So entstand im Südzipfel der preußischen Rheinprovinz und im äußersten Westen der bayerischen Pfalz ein Montanrevier eigenen Charakters, das bald in das Spannungsfeld deutsch-französischer Auseinandersetzungen geriet.
Im Laufe eines Jahrhunderts wuchsen das Industrierevier und die zugehörigen Arbeiterwohngebiete zu einem eigenen Raum mit einem stabilen Kern und, je nach den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten, schwingenden Grenzen zusammen. Dieser Vorgang entspricht der allgemeinen Erkenntnis über die Formkraft wirtschaftlicher Faktoren für die Bildung funktionaler Raumeinheiten.
Die Saargruben setzten die neueste Erfindung der damaligen Zeit ein: die Dampfmaschine. Der Schachtbau löste den veralteten Stollenbau ab, und der Bedarf an Arbeitskräften stieg - trotz dieser Innovationen. Denn durch den Wegfall der Zollgrenzen zwischen Bayern und Preußen öffnete sich für die Saarkohle ein neuer und wichtiger Markt: Süddeutschland
Auch die Saarhütten arbeiteten mit der Dampfmaschine. Dadurch wurden sie unabhängig von der Wasserkraft und konnten ihre Standorte frei wählen. Da die einheimischen Erzgruben versiegten, bezogen sie von nun an ihren wichtigsten Rohstoff von der Lahn. Statt Holzkohle benutzten sie Koks - hergestellt aus Saarkohle.
Die technischen Voraussetzungen waren gut, die Verkehrsbedingungen jedoch schlecht. Eine Lösung dieses Problems schaffte erst die »Dampfmaschine auf Rädern«: die Eisenbahn.
Nahe der Eisenbahnstrecke entstanden neue Gruben und Glashütten - mit direktem Bahnanschluss. Auch die 1856 gegründete Burbacher Hütte konnte nicht nur die Saar, sondern auch die Eisenbahn für ihre Transporte benutzen. Und als zehn Jahre später die Saar kanalisiert war, hatte das Saar-Revier sogar einen Anschluss an das französische Kanalnetz.
Mit der Industrialisierung setzte eine wahre Völkerwanderung ein. Verarmte Bauern und auch Handwerker zogen in das Industrierevier, andere behielten ihren Wohnsitz in den ländlichen Gebieten des heutigen Nordsaarlandes, des Hunsrücks oder der Westpfalz. Sie lebten die Woche über als Einlieger bei Familien oder in den Schlafhäusern nahe den Gruben.
Nicht wenige zogen am frühen Montag über die Bergmannspfade zur Grube (1875 mehr als ein Drittel, 1910 etwa ein Fünftel). Zehn, zwanzig, ja manchmal sogar dreißig Kilometer gingen sie zu ihrem Arbeitsplatz. Die Einwohner des Industriereviers verspotteten sie wegen ihres groben Schuhwerks und wegen der langen Wege als »Hartfüßler«.
Saarbrücken im Brennpunkt
Im Deutschen Krieg von 1866 hatte Preußen Österreich besiegt. Preußen übernahm die Führung des Norddeutschen Bundes. Frankreich sah daraufhin seinen Einfluss schwinden und war entschlossen, jede weitere Ausdehnung preußischer Macht zu verhindern, insbe-sondere in Süddeutschland. Ein diplomatischer Zwischenfall genügte als Funke.
Aufstieg zur Großindustrie
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten die Saargruben ihre Produktion vervielfachen. Wichtigster Abnehmer der Kohle waren die Saarhütten. Wegen der weniger guten Koks-Qualität der Saarkohle erwarben Saargruben auch Bergwerke an der Ruhr und im Aachener Revier. Von dort kam immer ein Teil der in den Eisenwerke benötigten Kokskohle.
Gleichzeitig orientierten sich die Saarhütten nach Süden und nach Westen. Der »Saar-Lor-Lux-Raum« bekam in dieser Zeit Konturen.
Die Saarhütten erwarben im luxemburgisch-lothringischen Grenzgebiet und in Westlothringen eigene Erzfelder, von denen sie die Minette-Erze bezogen.
Erleichtert wurde diese Expansion durch die Annexion Elsaß-Lothringens 1871. Die Verhüttung der phosphorhaltigen Minette wurde jedoch erst durch das 1879 erfundene ›Thomas-Verfahren‹ in größerem Umfang möglich.
In den beiden letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts errichteten die Saarhütten in Westlothringen und in Luxemburg auch eigene Hütten. Von ihnen bezogen sie den größten Teil des Roheisens.
Unternehmer im Saarrevier - Private Hütten, staatliche Gruben
Selbst in schlechten Jahren führte die Grubenverwaltung beträchtliche Überschüsse an die Staatskasse ab. Möglich war dies auch durch die Niedrigstlöhne, die sie bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts zahlte.
Dabei »rechnete« die Grubenverwaltung mit der weitgehenden Selbstversorgung der Saarbergleute und deren Familien und mit den Leistungen des betrieblichen Unterstützungssystems.
Die übrige Saarindustrie war in Händen meist zugewanderter protestantisch-bürgerlicher Unternehmerfamilien.
Die bedeutende Hunsrücker Eisenhüttenfamilie Stumm etwa kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts an die Saar. Carl Ferdinand von Stumm-Halberg prägte mit seinem »System der milden und der strengen Hand« das ganze Saarrevier, das auch im Volksmund »Königreich Stumm« genannt wurde. Darüber hinaus wirkte Stumm als Reichstagsabgeordneter wesentlich bei der Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialpolitik des Kaiserreiches mit.
Quellen: saarland.de; wikipedia.org