Abtrennung nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgte Frankreich ursprünglich den Plan, das gesamte linksrheinische Gebiet von Deutschland abzuspalten. Diese Pläne wurden jedoch auf den Außenministerkonferenzen der Alliierten abgelehnt.
Die Ablehnung erfolgte unter Verweis auf die Atlantikcharta, dass es keine Gebietsveränderungen geben dürfte, die nicht mit den frei geäußerten Wünschen der betroffenen Völker übereinstimmen.
Um die guten Beziehungen mit den Franzosen nicht zu belasten, gaben die USA jedoch ihre Zustimmung für eine Abtrennung des Saarlandes, dessen Gebiet gegenüber 1920 vor allem im Nordwesten und im Norden etwas vergrößert wurde.
Am 10. Juli 1945 rückten französische Besatzungstruppen in das Saarland ein und ersetzten die dortigen US-Einheiten, welche das Saarland verließen.
Frankreich wollte – nachdem das Saargebiet nach Ablösung der amerikanischen Besatzung am 10. Juli 1945 zur französischen Besatzungszone gehörte – das Industrierevier an der Saar stärker an sich binden, vergleichbar der Situation im Saarland nach dem Ersten Weltkrieg.
Wegen des Widerstands der Alliierten gab Frankreich dieses Vorhaben, das der gemeinsamen Berliner Erklärung der Siegermächte zuwidergelaufen wäre, zugunsten einer Währungs-, Wirtschafts- und Verteidigungsunion bei einer ansonsten gewährten Autonomie des Saarlandes auf.
Am 16. Februar 1946 wurde das Saarland der Zuständigkeit des Alliierten Kontrollrates entzogen. Mit Wirkung vom 20. Juli 1946 wurde das Landesgebiet nicht unwesentlich durch vormals preußische und birkenfeldisch-oldenburgische Gemeinden erweitert.
Am 8. Oktober 1946 bildete sich eine Verwaltungskommission und am 22. Dezember 1946 schloss Frankreich die Grenze des Saarlandes zum übrigen Deutschland. Damit trieb Frankreich die Entwicklung im französischen Sinne voran – etwa durch die Einführung des Französischen Franc als Währung.
Am 16. Juli 1947 wurde die Saarwährung »Saarmark« in der Parität 1 Reichsmark = 1 Saarmark eingeführt, die den Hintergrund hatte, die im zweiten Schritt vorgesehene Einführung des französischen Francs vorzubereiten.
Mit diesem Schritt wollte man die Verbringung von Reichsmark-Beständen aus den anderen westlichen Besatzungszonen in das Saarland einschränken. Das Ziel war, zu verhindern dass deutsche Währung in den damals wesentlich stabileren französischen Franc umgewechselt worden wäre.
Am 15. November 1947 wurde der französische Franc offizielles Zahlungsmittel. Am 23. März 1948 die Zollunion offiziell bestätigt. In der Folge wurden die französischen Münzen (nicht jedoch die Scheine!) durch eigene »Saar-Franken« ergänzt, die jedoch den analogen französischen Münzen genau glichen, und auch die Währungskonvergenz blieb bestehen.
Kurze Zeit später wurde das Land zu einem französischen Protektorat mit einer eigenen Regierung und Verfassung (vom 15. Dezember 1947). Die Präambel der Verfassung sah einen wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich vor.
Dies hatte für die Bevölkerung wirtschaftlich positive Folgen und löste – noch vor dem deutschen Wirtschaftswunder – ein starkes Wirtschaftswachstum aus. Mit der »Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France«, einer starken frankophile Bewegung im Saarland, wurde weiterhin ein möglicher politischer Anschluss an Frankreich weitgehend abgelehnt.
Mit Wirkung vom 8. Juni 1947 wurden 61 Gemeinden der Landkreise Trier und Saarburg wieder aus dem Saarland ausgegliedert, darunter auch Perl und Nennig.
Gleichzeitig wurden 13 vormals bayerische (6), birkenfeldische (3) oder preußische (4) Gemeinden der Kreise Birkenfeld und Kusel dem Saarland angegliedert. Im Jahre 1949 erfolgte eine letzte Grenzänderung durch Anschluss der ehemals pfälzischen Gemeinde Kirrberg.
Im Juli 1948 erhielten alle Saarländer eine eigene Staatsangehörigkeit, sie wurden »Sarrois«.
Die von Frankreich eingesetzte Regierung, vorwiegend aus Emigranten und von den Nationalsozialisten Verfolgten bestehend, sorgte dafür, dass im Saarland nachhaltiger entnazifiziert wurde als in irgendeinem anderen Teil Westdeutschlands.
Ab 1950 begann der ungelöste Status des Saargebiets die westeuropäische und atlantische Zusammenarbeit zu behindern. Frankreichs Außenminister Robert Schuman hatte, um die unter dem Zankapfel Saarland leidende deutsch-französische Verständigung in Gang zu bringen, 1952 eine Europäisierung der Saar ins Gespräch gebracht.
Eigentlicher Vordenker der Europäisierung war aber Johannes Hoffmann, der damalige Ministerpräsident des Saarlands. Das Saarland sollte zu einem außerstaatlichen Territorium und Standort verschiedener europäischer Institutionen werden.
Nach anfänglicher Zustimmung der Bevölkerung zu dem neuen Status, was sicherlich auch mit der raschen wirtschaftlichen Erholung noch vor dem sog. »Wirtschaftswunder« in der Bundesrepublik zusammenhing, stieg der Widerwille gegen die Regierung in den 1950er Jahren an.
Parteien, die gegen eine Eigenstaatlichkeit eintraten – vor allem die großen Parteien der Bundesrepublik – wurden nicht zugelassen. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit wurde eingeschränkt. Die Saarregierung rechtfertigte diesen Schritt damit, dass ein Staat keiner Partei ein Betätigungsfeld bieten dürfe, die seine Existenz grundlegend ablehne.
Bundeskanzler Konrad Adenauer verweigerte jeden Kontakt zu der als »separatistisch« bezeichneten Regierung Hoffmann.
1952 rief die verbotene pro-deutsche DPS dazu auf, bei den Landtagswahlen ungültige Stimmzettel abzugeben, was rund ein Viertel der Wahlberechtigten auch tat.
Dies stellte auch einen Wendepunkt in Adenauers Saarlandpolitik dar: Er nahm Kontakt zur Saarregierung auf, vor allem um seine Projekte der Westbindung und der Aussöhnung mit Frankreich nicht zu gefährden.
Dieser neue Kurs mündete in der Unterzeichnung des Saarstatuts am 23. Oktober 1954 in Paris als Teil der Pariser Verträge.
Das europäische (oder »zweite«) Saarstatut wurde als Teil der Pariser Verträge von 1954 zwischen dem französischen Ministerpräsidenten Pierre Mendès-France und dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer ausgehandelt und am 23. Oktober 1954 unterzeichnet.
Es sah im Wesentlichen eine Europäisierung des Saarlandes vor, die jedoch später an einer ablehnenden Volksabstimmung durch die Saarländer scheiterte.
Das 1954 zwischen Pierre Mendès-France und Konrad Adenauer ausgehandelte Saarstatut vom 23. Oktober sah dementsprechend bis zum Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland die Unterstellung des Saarlandes unter einen Kommissar der Westeuropäischen Union vor.
Dieser sollte das Land nach außen vertreten. Die saarländische Regierung sollte jedoch weiter für die inneren Angelegenheiten zuständig und die wirtschaftliche Anbindung an Frankreich erhalten bleiben.
Allerdings war auch eine engere wirtschaftliche Vernetzung mit der Bundesrepublik vorgesehen. In der deutschen Innenpolitik wurde Adenauer wegen des Saarstatuts scharf angegriffen. Vor allem die SPD sah darin eine De-facto-Abtretung des Saarlands an Frankreich.
Vor dem endgültigen Inkrafttreten sah das Saarstatut jedoch wie schon erwähnt eine Volksabstimmung vor, um die bald ein heftiger Abstimmungswahlkampf ausbrach.
Da das Saarstatut die Wiederherstellung der Meinungs- und Versammlungsrechte vorsah, formierten sich im Sommer 1955 die pro-deutschen Parteien des Saarlandes zum Heimatbund.
Da sich darunter auch die CDU befand, ergab sich die paradoxe Situation, dass die Saar-CDU zum Ablehnen des Statuts aufrief, während CDU-Bundeskanzler Adenauer eine Zustimmung propagierte.
Während des Wahlkampfes kam es zu schweren Auseinandersetzungen mit deutsch-nationalistischen Tönen sowie Angriffen auf Ministerpräsident Hoffmann (»Der Dicke muss weg!«) und seine von ehemaligen Emigranten getragene Regierung.
Zusätzlich hatte die Ablehnung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft durch Frankreich das Vertrauen in den europäischen Einigungskurs erschüttert und Frankreichs Wirtschaft geriet gegenüber dem deutschen Wirtschaftswachstum ins Hintertreffen.
In der deutschen Innenpolitik wurde Adenauer wegen des Saarstatuts scharf angegriffen, obwohl das Statut eine Volksabstimmung vorsah. Vor allem die SPD und FDP sahen darin eine De-facto-Abtretung des Saarlands an Frankreich.
Volksbefragung 1955 und Beitritt zur Bundesrepublik
Am 23. Oktober 1955 wurde schließlich nach einem heftig geführten Abstimmungskampf eine Volksbefragung über die Zukunft des Landes durchgeführt. 67,7 Prozent der abstimmenden saarländischen Bürger – bei einer Beteiligung von 96,6 Prozent (620.000 Teilnehmer) – votierten gegen das Saarstatut.
Das Saarstatut war die Vision des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, der das Saarland zum ersten europäischen Territorium machen wollte.
Die Planung ganzer Stadtteile in und um Saarbrücken, welche die heute in Brüssel, Luxemburg und Straßburg befindlichen europäischen Institutionen aufnehmen sollten, war bereits angelaufen.
Das Votum vom 23. Oktober 1955 wurde als Ausdruck des Willens zu einem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland angesehen.
Da der deutsch-französische Vertrag von 1954 keine Regelungen für den Fall einer Ablehnung des Saarstatuts enthielt, musste erneut verhandelt werden.
Diese Verhandlungen führten zum »Luxemburger Vertrag« vom 27. Oktober 1956, in dem Frankreich der Rückgliederung des Saarlandes unter deutsche Hoheit zum 1. Januar 1957 zustimmte. (sogenannte kleine Wiedervereinigung).
Der Beitritt erfolgte wie später der der DDR nach dem Artikel 23 des Grundgesetzes alter Fassung. Durch Gesetz vom 20. Dezember 1956 war zugleich die saarländische Staatsangehörigkeit wieder abgeschafft worden.
De facto bestand diese Staatsbürgerschaft »Saarländer« (Sarrois) also von Juli 1948 bis Dezember 1956, entsprechend auch in der Zeit, in der meine Frau und ich geboren wurden. Folglich sind wir beide »echte Saarländer«.
Am 14. Dezember 1956 erklärte der saarländische Landtag den förmlichen Beitritt zum Geltungsbereich des deutschen Grundgesetzes.
Durch das Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes wurde das Saarland am 1. Januar 1957 in die damalige Bundesrepublik Deutschland eingegliedert (aufgrund des ambivalenten Status von West-Berlin kann man nicht sagen, ob als zehntes oder elftes Bundesland).
Dieser Beitritt wurde 1990 zum Vorbild für die verfassungsrechtliche Gestaltung der deutschen Wiedervereinigung.
Eine wirtschaftliche Teilabhängigkeit zu Frankreich blieb vorerst aber noch bestehen, besonders weil das Saarland noch bis zum 6. Juli 1959 weiter zum französischen Zollgebiet gehörte. Ab diesem »Tag X« wurde im Saarland die D-Mark zum Kurs von 100 Saar-Franken = 0,8507 DM eingeführt, und die Zollschranken zu Rheinland-Pfalz entfielen fortan.
Kultur und Sport
Dem besonderen Status des Saarlands in der ersten Hälfte der 1950er Jahre verdankt auch der französischsprachige Sender »Europe 1« seine Entstehung. Dessen Sendungen werden seitdem auf Langwelle von der Sendeanlage Sender Felsberg-Berus bei Felsberg ausgestrahlt. Er war bis zur Einführung des privaten Rundfunks in Deutschland der einzige privat betriebene Rundfunksender auf deutschem Boden.
Im Juni 1950 wurde der Saarländische Fußballbund von der FIFA aufgenommen, noch bevor die Bundesrepublik Mitglied der FIFA war.
Das Saarland hatte auch eine eigene Saarländische Fußballnationalmannschaft und nahm unter seinem Trainer Helmut Schön, dem späteren Nachfolger von Sepp Herberger als Nationaltrainer der Bundesrepublik, an der WM-Qualifikation für 1954 teil. Dabei spielte das Saarland in der Qualifikation am 28.3.1954 (Endstand 1:3) auch gegen den späteren Weltmeister Deutschland.
Im Oktober 1950 wurde das Nationale Olympische Komitee des Saarlandes gegründet und auf französischen Vorschlag vom IOC anerkannt.
Das Saarland schickte eine Mannschaft zu den Olympischen Spielen 1952, welche aus 31 Männern und fünf Frauen bestand, welche jedoch leider keine Medaillen gewannen. Bei der nächsten Olympiade im Jahr 1956 in Melbourne nahmen die Athleten des Saarlandes in der Gesamtdeutschen Mannschaft teil. Saarländer errangen dabei Medaillen, u.a. Silbermedaille im Kajak-Einer durch Therese Zenz aus Mettlach.
Das NOK des Saarlandes bestand bis Februar 1957 und wurde aufgelöst, nachdem das Saarland ab dem 1. Januar 1957 zur Bundesrepublik Deutschland gehörte.
Saarländische Sportler nahmen in diesen Jahren auch an Weltmeisterschaften ihrer jeweiligen Sportarten teil und errangen auch Medaillen (größter Erfolg: Therese Zenz aus Mettlach 1954 Weltmeisterin im Einer-Kajak und 2-fache Silbermedaillengewinnerin im Einer- und Zweierkajak bei der Olympiade in Rom 1960).
Auch nach dem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland waren saarländische Sportler erfolgreich, z.B. 1960 mit Armin Hary aus Quierschied als zweifacher Olympiasieger (100 m und 4 x 100 m Staffel) in Rom.